Warum Du dem Freund und Helfer egal bist


Foto: (cc) Kmtextor
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Jaber al-Bakr, 22, Syrer, hat in einer Zelle der JVA in Leipzig Selbstmord begangen. Und Deutschland regt sich auf. Die Polizei hat sich natürlich blamiert, das ist keine Frage. Das ist aber auch nicht wirklich eine Neuigkeit, die besonders bemerkenswert wäre. Ich habe die Polizei überhaupt erst angefangen richtig wahrzunehmen, als sie 1988 so spektakulär bei dem Geiseldrama von Gladbeck versagte. Davor wäre sie in dem Hochhaus, in dem ich damals lebte, durchaus immer mal wieder gebraucht worden – aber sie kam oft gar nicht oder viel zu spät. Und die Arroganz, mit der sie dieser „schlechten“ Adresse gegenüberstand, war geradezu unglaublich. Wenn man sie anrief und die Straße nannte, wurde sehr wohl schon mal gefragt, warum man sich eigentlich die Mühe des Telefonierens mache.

 

Als ich achtzehn war, starb mein Freund bei einem Autounfall. Erfahren habe ich das auf der Wache, und ich brach natürlich in Tränen aus. Ich werde nie vergessen, wie einer der Polizisten meinem Begleiter verächtlich sagte, er solle mich gefälligst wieder dorthin bringen, wo er mich hergeholt habe. Der andere Diensthabende bat uns dann etwas freundlicher, zu gehen. Jeder normale Mensch hätte angeboten, jemanden für uns anzurufen, der uns abholt. Nicht aber die Polizei – die schickt zwei sehr junge Menschen unter Schock einfach so zurück in die Nacht.

 

In dem oben genannten Hochhaus gab es auch einen Brandstifter. Der hat in 29 Monaten 40 Brände gelegt. Immer große Feuer, so dass alle Familien evakuiert werden mussten und so weiter. Danach hörte es einfach auf. Der Verdienst der Polizei war das nicht, der Brandstifter hatte sich offenbar einfach ausgetobt. Das Interesse der „Freunde und Helfer“ war einfach nicht groß genug. Von meiner Mutter weiß ich, dass sich diese Brandserie 25 Jahre später wiederholt hat. Erst da fanden die Gesetzeshüter einen Beweis gegen den Mann, der uns Nachbarn längst als Täter bekannt war. Seine Strafe war schockierend gering, aber die Justiz ist ein Thema für einen anderen Artikel, sonst ergehe ich mich in tausenden von Worten.

 

Worauf ich hinaus will, ist das die Idee einer Polizei zwar ziemlich gut ist, die Ausführung aber mindestens in meiner Lebenszeit wieder und wieder grandios scheitert. Woran das liegt, vermag ich nicht zu erklären. Natürlich habe ich meine eigenen Theorien, angefanen damit, dass die falschen Menschen diesen Job machen bis zu der Tatsache, dass der Staat diesen Apparat kaputt spart. Aber ich verfüge nicht über einen exklusiven Einblick ins System – und vielleicht ist das auch mein Glück, weil ich sonst schlicht wahnsinnig würde.

 

Ist es also eine Überraschung, dass man diesen jungen Mann sich selbst überließ? Wohl kaum. Wird die Aufregung reichen, um etwas zu ändern? Wohl kaum. Am Ende wird man zu dem zynischen Schluss kommen, dass er immerhin niemand anderen mit in den Tod genommen hat, und das ist ja auch schon ein Vorteil. Irgendwer hat das schon getwittert, aber für mich ist das eine Person von solcher Bedeutungslosigkeit, dass ich mir nicht mal die Mühe machen will, bei google nochmal nach dem Namen zu suchen. Man kommt gar nicht drum herum, diverse andere Systemfehler mindestens anzukratzen, wenn man über so ein Thema sprechen will. 

 

Immer wieder geht es um die Verteilung der Güter und die Gier der Großen und Mächtigen. Im gesamten Verlauf der Menschheitsgeschichte war und bleibt dies unser großes Versagen als bewusst denkende Spezies. Wir eifern denen nach, die alles haben – und fragen uns nur höchst selten, wie diese Menschen an ihren Reichtum kamen und ob wir wirklich auch so sein wollen, um selbst keine Geldsorgen mehr zu haben. Wollen wir wirklich von denen umgeben sein, für die nichts anderes zählt als Profit? Die uns, ohne zu zögern, über die Planke schicken würden, wenn es ihren eigenen Interessen diente? So muss man nämlich sein, um das das wirklich große Geld zu machen und ein Mitglied dieses widerlichen Clubs zu werden, der die Welt immer feiner unter sich aufteilt – und sich dabei einen wahren Dreck um die Allgemeinheit schert.

 

Und sie geben dieses Verhalten weiter an ihre Kinder, die von diesem Erbe finanziell selbstverständlich profitieren. Und statt diese mindestens mit Missachtung zu strafen, wir erheben sie zu Pop- und Politstars, weil wir dumm genug sind, nur die glitzernde Oberfläche zu betrachten. Selbst dann, wenn diese Menschen ganz offen vollkommenen Schwachsinn von sich geben und sich als das outen, was sie sind: wertfreie Kreaturen, die einer gierigen und blutsaugenden Umgebung entsprungen sind und über keinen Funken Empathie verfügen. Zumindest dafür wüsste ich einen Lösungsansatz. Man müsste einfach nur der Summe, die man erben darf, ein Limit setzen. Alles was darüber hinaus an Vermögen existiert, ginge dann an die Allgemeinheit zurück und würde zu verschiedenen karitativen Zwecken eingesetzt. Dann wäre der Sprössling nämlich gezwungen, was aus sich zu machen. So wie alle anderen auch. Das werden die Mächtigen aber nie, nie, nie in die Gesetzbücher schreiben.

 

Aber ich sehe schon, ich komme von Kuchen backen auf Arschbacken. Jedenfalls besteht da meiner bescheidenen Meinung nach ein gewisser Zusammenhang. Die Polizei aus erster ausführender Arm der Mächtigen kann ja nur so gut oder schlecht sein wie der oberste Befehlshaber – in der Regel sind das die mit dem meisten Geld, unabhängig davon, wen sie als Gesicht ihrer Entscheidungen an die scheinbare Spitze stellen. Oder glaubt jemand, dass ein beliebiger westlicher Regierungschef wirklich mehr Macht besitzt als die Wirtschaft ihm lässt? Ich glaube das nicht. Ich denke, alles wird geregelt von Peseten, Kohle, Zaster oder wie immer man diese Pest sonst nennen will. Das ist der Kern der allermeisten Probleme.

 

Wenn ein wirtschaftliches Interesse darin bestanden hätte, al-Bakr am Leben zu erhalten – dann hätte er keine Gelegenheit zum Selbstmord bekommen. Das halte ich für einen Fakt. Und weil das nicht bestand, war es eben egal. Nur ein weiterer Name auf einer endlosen Liste. Ein weiterer erfolgreich Hirngewaschener der Mächtigen seiner Kultur, dem der Hass auf eine andere immer wieder eingeimpft wurde. Wen kümmert das schon, wenn noch irgendwer von dem Krieg in seiner Heimat im großen Stil profitieren kann?



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