Der Weichkeks - leider nicht vom Aussterben bedroht


Eine nagelneue Studie hat ergeben, dass der durchschnittliche deutsche Mann nicht mehr in der Lage ist, mit Gewalt umzugehen und sich in bedrohlichen Situationen auf den Staat verlässt. Greift dieser nicht ein, ist der Mann in Deutschland hilflos. Wirklich? Um das heraus zu finden, hat es eine Studie gebraucht? Die Forschungsgelder, die dafür drauf gegangen sind, hätte man sich auch sparen und einfach mich fragen können. Ich weiß um diese Tatsache nämlich schon länger als mir lieb ist und bin eine Frau, die bereits zwei Mal Männer aus gefährlichen Momenten raus geboxt hat - im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Außerdem wurde ich schon zwei Mal überfallen. Einer der erheblichen Nachteile, wenn man sich oft allein an mehr oder weniger verlassenen Orten herum treibt. Beide Male waren andere Kerle in der Nähe und ich musste trotzdem selbst zusehen, wie ich mich selbst aus dieser Lage wieder befreie - was mir glücklicherweise jedes Mal gelungen ist. Denn Männer, die Frauen attackieren, sind gottverdammte Feiglinge, die wimmernd die Flucht ergreifen, wenn man sich mit allem wehrt, das einem zur Verfügung steht. 

 

Wie immer, wenn ich eine bestimmte Menschengruppe kritisiere, muss ich betonen, dass es selbstverständlich auch Ausnahmen gibt. Ich kenne ja selbst auch so einige und bin mit ihnen befreundet. Aber meine persönliche Erfahrung sagt mir, dass es immer weniger werden, und das ist verdammt schade - und überdies äußerst beschämend für das vermeintlich stärkere Geschlecht in diesem Land. Um das bestätigt zu sehen, muss ich auch nicht auf die Silvesternacht 2015/16 in Köln schauen. Womit ich übrigens keinesfalls sagen will, dass hier der Staat nicht vehement hätte eingreifen müssen statt sich durch skandalöses Nichtstun hervorzuheben und die entsprechenden Täter nicht augenblicklich festzunageln. 

 

Mein Männerbild war natürlich jahrelang geprägt vom Beispiel meines Vaters, wie das bei vielen Frauen der Fall ist. Mein Papa war ein harter Hund, aber er hatte ein Herz aus Gold. Nie im Leben hätte er zugelassen, dass in seiner Gegenwart eine Frau oder gar ein Kind angegriffen würde. Mit eigenen Augen durfte ich sehen, wie er in solcher Lage mal eben aufgeräumt hat. Und natürlich wollte ich davon ausgehen, dass Männer Beschützer zu sein haben. Zum Glück hat er mir früh beigebracht, dass das eben nicht automatisch so ist - und deshalb hat er mich das Kämpfen gelehrt. Er zeigte mir, wohin man schlagen muss, um einen Angreifer außer Gefecht zu setzen. Dass Hemmungen fehl am Platz sind, wenn es darum geht, Leib und Leben zu verteidigen. Und dass man zwar Angst haben, aber sie keinesfalls zeigen darf. Viele Stunden haben wir trainiert und wie pfiffige Leser bereits an der Einleitung erkennen, gereichte mir das schon öfter mal zum Vorteil.

 

Die Geschichte, die ich erzählen möchte, spielte sich vor einigen Jahren ausgerechnet an meinem Geburtstag ab. Mein Ex-Freund und ich waren mit einem weiteren Pärchen vor meiner eigenen Party noch auf dem Hof-Fest eines Ladens, der damals sein fünfjähriges Bestehen feierte. Während die anderen einen Tisch suchten, besorgte ich uns einen Imbiss am Grill. Als ich zu meiner Gruppe zurückkehrte, war das andere Paar stehend im Gespräch mit einer Bekannten und der Ex saß an besagtem Tisch mit irgendeinem Typen und unterhielt sich.

 

Nun stieß ich dazu und wollte ein paar Worte loswerden. Der Fremde aber sah nicht ein, dass eine Frau hinzukommen und einfach an seiner Unterhaltung teilhaben könne. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel und wartete einfach ab, bis er mal schwieg, um meine paar Sätze sagen zu können. Allerdings war ich noch nicht ganz fertig, als er mir schon übers Maul fuhr und einfach weiter mit dem Ex redete - als sei ich gar nicht anwesend. Hier hätte der Mann an meiner Seite eigentlich schon eingreifen müssen.

 

Der Ex und ich hatten beide unsere Fotoapparate dabei, und die lagen offen auf dem Tisch vor uns. Der Fremde zeigte Interesse daran, nahm die Kamera des Ex auch ungefragt in die Hand, fummelte am Objektiv herum, änderte Einstellungen und machte sogar ein paar Bilder. Dann legte er das Gerät ab und ich sah, wie seine Hände über den Tisch zu meiner Kamera wanderten. Bevor er sie erreichte, nahm ich sie an mich und sagte noch einigermaßen höflich, dass ich das nicht so gern hätte. Damit hätte das erledigt sein können - immerhin ging es um mein Eigentum, und dass ich darüber entscheide, wer damit rumfuhrwerkt oder eben nicht, ist eine Selbstverständlichkeit.

 

Der Fremde aber sah das nicht so. Er kam aus irgendeinem dieser entzückenden Kulturkreise, in denen Frauen gar nichts zu melden haben - und das ließ er auch gleich eindrucksvoll raushängen. Er begann, mich anzuschreien und zog nun auch die Aufmerksamkeit des Pärchens auf sich, das mit uns dort war. Die starrten gebannt auf die Szene, die sich vor ihren Augen entfaltete, taten aber sonst auch nichts.

 

Da ich fest entschlossen war, mir meinen Ehrentag nicht versauen zu lassen, wechselte ich nun den Tisch und saß jetzt mit dem Rücken zu dem Schreihals. Natürlich erwartete ich, dass meine Begleiter mir folgen würden, aber das geschah nicht. Inzwischen war der Fremde dazu übergegangen, mich als "Nazi-Hure" zu beschimpfen und mir blieb mein Essen im Halse stecken. Und unter der Tirade meines plötzlichen Gegners hörte ich nun aus dem Off das leise Mimimi des Ex. "Wenn sie das nicht will, dann musst Du das respektieren" flüsterte er dem Arschloch entgegen - und das war auch schon alles, was überhaupt je von seiner Seite kam. Der Mann meiner damaligen Freundin sagte einfach gar nichts - und das traf auch auf alle anderen anwesenden Kerle zu.

 

Ich kam mir sehr verlassen vor in diesem Moment, an meinem Geburtstag, allein an einem Tisch, mit dem Rücken zu meinen Begleitern und einem asozialen Subjekt, das mich lauthals beschimpfte, weil ich ihm meine Kamera nicht einfach widerspruchslos überlassen hatte. Nicht einer stand auf und verteidigte mich. Beinahe hätte ich zu heulen angefangen.

 

Schließlich beendete der Fremde seine Schimpf-Kanonade auf mich mit den Worten: "Mit einer Schlampe wie Dir will ich sowieso nicht reden!" Das war der Moment, in dem mein Geduldsfaden endlich riss. Ich stand auf, drehte mich um und sagte: "Dafür laberst Du aber schon ganz schön lange meine Rückseite voll." Nun sprang er hoch und kam mit erhobenen Fäusten auf mich zu. Und noch immer befand es niemand für nötig, irgendetwas zu tun.

 

An die Lektion meines Vaters denkend, nie Angst zu zeigen, trat ich dem Mann einen Schritt entgegen und drohte ihm: wenn er auch nur einen Schlag in meine Richtung machte, würde ich ihm vor all diesen Leuten mit meiner Kamera den Schädel einschlagen. Mein Herz war zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits in meine Hose gerutscht. Doch wie erwartet wich der Fremde zurück und schaute mich ungläubig an. Ich ging weiter auf ihn zu, woraufhin er kehrt machte und fluchend das Hof-Fest verließ. 

 

Zitternd vor Wut und Angst stand ich nun da - und sah mich danach überraschend einem weiteren verbalen Angriff ausgesetzt. Durch meine "Freunde" nämlich, die mich fragten, wieso ich eine solch peinliche Szene gemacht hätte und warum ich dem Mann nicht einfach den Fotoapparat kurz gegeben hätte. Dann wäre doch Ruhe gewesen. Ich war fassungslos, und bin es im Rückblick immer noch. Ich schäme mich noch heute für diese drei Menschen.

 

Die Geburtstag-Stimmung, mit der der Tag begonnen hatte, war dahin und ließ sich auch nicht wieder herstellen. Unnötig zu sagen, dass meine damaligen Begleiter nicht mehr zu meinem Freundeskreis gehören. Auch fast überflüssig zu erwähnen, dass diese Situation mit beispielsweise italienischen oder polnischen Männern völlig anders ausgegangen wäre. Es bedarf keiner Studie, mir zu sagen, dass der durchschnittliche deutsche Mann sich nicht mehr zu wehren oder eine Frau zu verteidigen weiß und im Grunde seiner Seele ein Weichkeks ist - der glaubt, jedes Problem sanft wegdiskutieren zu können. Deswegen gebe ich mich auch mit dem Durchschnitt nicht ab. Sorry, Jungs, tut mir wirklich aufrichtig leid, nicht nur für Euch. Die wahren Kerle unter Euch kennen die schlimme Wahrheit und schämen sich angemessen fremd. Die anderen werden in den Kommentaren darüber jammern, wie die böse Frauenwelt viele von Euch "zu Unrecht" sieht. Aber für die findet sich bestimmt eine Selbsthilfegruppe online, in der sie sich gegenseitig die Tränen trocknen können. Oder sie verprügeln ihre Frau. Dafür reicht die "Stärke" ja dann oft immer noch aus.

 

Am wahrscheinlichsten aber ist, dass diese Männer behaupten werden, sie seien vom Feminismus kastriert worden und Frauen wollten das ja so. Nun sollen sie sich auch selbst wehren, wenn sie angegriffen werden. Darüber kann ich nicht mal mehr lachen. Wer nicht begriffen hat, dass Frauen über Jahrhunderte unterdrückt wurden (und in vielen Teilen der Welt noch werden) und einzig diesen Zustand aufheben wollten, dem ist nicht zu helfen. Solche Idioten wird es leider immer geben.



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