Ein Tag im Jagdrevier - oder die Singlebörse im Netz


Herz im Chaos
Herz im Chaos

Ich bin Single. Die meiste Zeit bin ich das auch ganz gern. Ich genieße die Freiheiten, die damit einhergehen. Mitunter reagiert der gemeine Penisträger ja auch mal eigen, wenn ich sowas mache wie mit fremden Seemännern ganze Tage auf Schiffen verbringen, bei unbekannten Herren couchsurfen oder mit anderen männlichen Freunden in Urlaub fahren. Obwohl das tatsächlich alles platonisch ist, fällt es ihm schwer, das zu glauben. Das kann ich sogar nachvollziehen. Es ändert aber nichts daran, dass ich diesen Freiraum genieße und natürlich auch behalten will. Selbes gilt für meine Wohnung - die mag ich nicht teilen. Der Platz reicht kaum für mein Gedöns. Außerdem arbeite ich hier auch. Es kommt vor, dass dies kein schöner Anblick ist. Zum Beispiel, wenn ich die ersten Entwürfe für meine Buchtexte schreibe.

 

Das dauerte bisher immer so zwischen sechs und acht Wochen am Stück. In dieser Zeit hacke ich einfach 16 Stunden am Tag auf meine Tastatur ein. Gegessen wird selten, gern vom Lieferservice. Oder alles, was man direkt aus der Tüte essen kann. Geraucht wird umso mehr. Lüften, Aschenbecher ausleeren, aufräumen, abwaschen, duschen - all das kommt zu kurz. Es reicht oft nur zum Zähneputzen nach dem ersten Kaffee und vor dem unvermeidlichen Einschlafen. Eigentlich tue ich der Welt einen Gefallen damit, dass ich allein wohne. Das schließt allerdings total konventionelle Beziehungen aus.

 

Aber manchmal, zwar recht selten, kommt es eben doch durch, das Paarungs-Willige in mir. Damit meine ich nicht Sex, sondern den Wunsch nach Paarbildung mit jemandem. Ich bin ja auch nur ein Mensch und so ist mir diese Regung nicht fremd. Da ich nicht viel ausgehe, mich eher abseits von Menschenmengen bewege und so gut wie nie ein geeigneter Kandidat mal eben an der Tür klopft - den einen oder anderen Handwerker im Laufe der Jahre mal ausgenommen - habe ich nahe liegendes in Betracht gezogen und mich bei einer Singlebörse angemeldet. Drei Mal sogar. Und es gibt da auch hin und wieder den Fall, dass man einen sympathischen Mann kennen lernt. Die meisten aber sind mindestens merkwürdig - jedenfalls aus meiner Sicht. Jetzt möchte ich nur von heute erzählen - da war schon alles dabei, was man wissen muss.

 

Als Statement habe ich die Selbstbeschreibung aus diesem Blog verwendet, angehängt, dass ich jemanden suche, der ähnlich tickt. Dann gab ich mir den ungemein pfiffigen und phantasievollen Nickname Italienfan und los ging die Reise durch die virtuelle Männerwelt. Und welche Erkenntnis wurde mir mal wieder zuteil? Manche Herren der Schöpfung muss man einfach mit Humor betrachten - um sich nicht moralinsauer von den anderen abzuwenden, die auch noch da draußen sind. Ich bin sicher, das ist umgekehrt genau so - aber darüber kann ich mir nun beim besten Willen kein echtes Urteil erlauben. Ich bleibe bei meinen eigenen Erfahrungen.

 

Erstmal sind da die Harmlosen, aber leider etwas blöden, die Nachrichten schreiben wie: "Pizza... Pasta... Was gibt es noch im Angebot? Tutti Frutti? Gruß, Hugo Egon Balder". Immerhin alles richtig geschrieben. Das ist heutzutage schon was wert. Dann gibt es noch die am schwächsten leuchtenden Kerzen auf dem Kuchen, die nur Deinen Nickname betrachten und die es überfordert, die sechs Zeilen darunter zu lesen. Die schreiben auch nur Ein-Wort-Nachrichten: "Gardasee?" Oder schicken nur ein Emoticon. Idiotisch und keiner Antwort würdig. 

 

Da sind wir auch schon beim nächsten Punkt. Die Jammerlappen, die sich im eigenen Statement oder in der ersten Nachricht schon darüber beschweren, dass wir Frauen ja so unhöflich sind, nie ehrlich sagen, was uns stört, immer den falschen Typ Mann suchen und nie zurück schreiben. Einen Kontakt damit beginnen, dass man dem anderen von vornherein ein Schuldgefühl einreden will und doch wenigstens gern die Antwort aus Mitleid hätte. Darauf reagiere ich bereitwillig mit Ehrlichkeit, wenn doch so ausdrücklich darum gebeten wird.

 

Manche haben es sehr eilig. "Hallo, ich grüße dich. Du hast ein interessantes Profil und ein hübsches Lächeln. Mal Lust auf einen Kaffee? GlG" Worauf ich schreibe, ich wäre nicht mal eben so zu einem Treffen zu überreden und mir würde besser gefallen, wenn er sich kurz mal vorstellen könnte. Seine Antwort lässt mich verwirrt zurück, vielleicht könnt Ihr es mir erklären: "Ich finde dich zu kompliziert, aber gut, ich leite das Kunden Service Center einer Bank, laufe gern Ski und bin der große böse Wolf, der dich gleich auffrisst, und Du?"

 

Schönste Kategorie derer, die dringend mit Humor zu betrachten sind, ist die der Notgeilen und Unbefriedigten. Erst die obligatorische Aufforderung zum "erotischen Beisammensein in dieser kalten Nacht. Das ist doch besser als vor dem Bildschirm zu sitzen und zu tippen, oder?" Herrlich. Die Kirsche auf der Sahne der Torte, die dieser Tag im Männer-Dschungel war, kommt aber nun. "Soll ich direkt sein? Meine Freundin und ich suchen eine nette Frau Due man auch vertrauen kann, um einen Soft Dreier zu experemtieren. Keine komischen Sachen." Übrigens buchstabengetreu wiedergegeben, das sind nicht meine Schreibfehler.

 

Von 15 Uhr bis Mitternacht habe ich Nachrichten von 71 Männern bekommen. Ein gutes Drittel davon konnte sich vernünftig artikulieren und war höflich, aber dennoch nichts für mich. Die Interessen und Vorstellungen von Freizeitgestaltung waren einfach zu weit weg von dem, was mir gefällt. Vom Rest wollte etwa ein Viertel ein sofortiges Treffen ohne sich vorher kurz auszutauschen. Dann so einige von den Heulsusen, denen die gesamte Frauenwelt Böses will. Der Rest war dumm, notgeil oder in unschöner Kombination einfach mal beides. Einer immerhin war dabei - der strahlende Held des Tages - weit gereist, höflich, clever, des Schreibens mächtig und zurückhaltend interessiert. Und den habe ich selbst angeschrieben. 

 

Ich melde mich da wieder ab - wie die letzten beiden Male. Nur schneller. Dem einen aber lasse ich noch meine e-mail Adresse da. Ich weiß ja, dass es sie da draußen gibt, die coolen Männer. Ein paar habe und hatte ich ja schon auf die eine oder andere Weise als Wegbegleiter in meinem Leben. Ein Glück. Wäre die heutige Statistik ganzheitliche Realität, könnte man sich auch gleich ins Zölibat begeben.



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